Angeschaut: Life is Strange Ep. 3 – Chaos Theory
Episode 3. Halbzeit. Das Abenteuer um Max Caulfield, die introvertierte Studentin mit der Fähigkeit die Zeit zurück zu drehen, geht weiter und hält so manche Überraschung bereit. In der Regel ist die dritte Episode Füllmaterial, bloßer Zwang, um zum Finale hin nochmal Anlauf zu nehmen und die letzte Episode so fulminant wie möglich zu gestalten. Life is Strange ist anders, das haben die beiden vorherigen Episoden unter Beweis gestellt und auch hier macht der Titel von DONTNOD Entertainment keine Ausnahme. Nach nur zwei Episoden haben wir schon fesselndes erlebt, Chaos Theory trumpft weiter auf und zieht uns noch weiter in seinen Strudel von Ereignissen in Arcadia Bay.
Warnung: Dieser Artikel enthält einige kleine Spoiler zu dieser und vorherigen Episoden von Life is Strange.
Fragen über Fragen und eine alles betreffende Unsicherheit
Episode 3 ist mit ungefähr drei Stunden Spielzeit ein typischer Episodentitel. Dann wiederum ist Life is Strange alles andere als gewöhnlich. Trotz der wunderschönen Bilder, ist die Grafik des Spiels kein Meisterwerk, aber das, worauf es in Life is Strange ankommt, ist sowieso die Atmosphäre, die Story und damit einhergehend die Entscheidungsfreiheit. Das wurde in den zahllosen Reviews zu den ersten Folgen bereits ausführlich erläutert, aber die dritte Episode bringt wieder frischen Wind in die Sache. Die Atmosphäre ändert sich und aus der beschaulichen Idylle wird ein Vorbote der Katastrophe. Die ständig tief stehende Sonne sowie tote Vögel tragen ihren Teil dazu bei und geben uns – oder jedenfalls mir – die ganze Zeit ein Gefühl kurz vor der Gänsehaut, begleitet von einem nervösen Kribbeln in den Fingern.
Chaos Theory mangelt es nicht an Drama und Spannung, aber es ist immer noch Luft nach oben. Mit semi-witzigen und nur minimal eloquenten Sprüchen, wie „Release the kra-can“ beim Kauf einer Limodose aus dem Automaten, kommentiert Max die Welt um sie herum. Genau dies macht sie noch authentischer und liebenswürdiger als sowieso schon. Life is Strange legt besonderen Wert auf die Charaktere, macht sie einzigartig, ehrlich und setzt seinen Schwerpunkt auf die zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen jenen Charakteren. So ist Life is Strange ein Spiel über Freundschaft, was in der dritten Episode nur noch deutlicher wird und die Entscheidungen, die wir treffen sollen, noch schwerer machen.
Ich hinterfrage alles, was wäre wenn, hätte, ihr kennt den Spruch. Man denkt, man tut das Richtige, aber sobald ich mich für einen Weg entschieden habe und die Schmetterlinge sehe (die am obere Rand symbolisieren, dass die so eben getroffene Entscheidung Einfluss auf das weitere Spielgeschehen haben wird), hinterfrage ich sie gleich wieder und überlege, ob ich wirklich das Richtige getan habe. Das Spiel macht einem die Schwere der Entscheidung bewusst (oder simuliert zumindest, dass sie schwerwiegend ist). Zu der Ungewissheit kommt die Tatsache, dass wir nicht beliebig oft an irgendwelchen Stellen neu laden können und teils erst Episoden später die Tragweite und Konsequenzen erfahren. Ab einem bestimmten Punkt sind die eigenen Taten irreparabel. Episode 3 zeigt viele solcher Konsequenzen, sodass ich nicht umhin komme mich zu fragen, was geschehen wäre, hätte ich anders reagiert.
Explosionen überall
Die dritte Episode ist wie eine Bombe, deren Zündschnur wir in der ersten Episode zündeten, in der zweiten immer lauter zischen hörten und die nun hoch geht; damit aber nur ein Feuerwerk der Ereignisse auslöst, was wir fassungslos hinnehmen müssen. Was wir bis jetzt gesehen haben, lässt darauf schließen, dass es nur ein kleiner Teil der Geschichte ist, viele Geheimnisse sind noch immer unentdeckt. Life is Strange geht auf ein gigantisches Finale zu, jede Episode hatte Steigerungspotenzial, nutzte dieses aber auch in der darauf folgenden Episode. Inwiefern man sich noch weiter steigern und alles zu einem sinnigen Ende bringen kann, bleibt abzuwarten. Ein bisschen Skepsis und Zweifel bleiben jedoch angesichts einer solchen Aufgabe. Die Erwartungen sind hoch gesteckt.
Chaos Theory ist nicht nur im Hinblick auf das Gesamtkonzept eine Bombe, Schlag auf Schlag treffen den Spieler viele Überraschungen, das Spiel gibt hier richtig Gas und haut einen schockierenden Dialog nach dem anderen raus. Auch an Bildern, die den Kiefer herunter klappen lassen, mangelt es nicht. Im Zuge dessen zieht sich die Fotografie weiter als eines der wichtigsten Motive durch das Spiel und intensiviert seine Präsens sogar. Am Ende hatte ich einfach nur den Eindruck, dass alles fucked-up ist. In den letzten Szenen weiß man, dass man nicht sollte und alles den Bach runter gehen wird, aber das Spiel zwingt den Spieler und so werden wir unweigerlich Zeuge dessen, was passiert, wenn man mit Zeit spielt und Geschehenes rückgängig macht.
Das Ende der Welt wie wir sie kennen
Nach so vielen erleuchtenden Ereignissen, die wieder einmal ebenso viele Fragen aufwerfen, wie sie beantworten, straft Episode 3 den Spieler mit einem abrupten Ende, das alles auf den Kopf stellt und man wünscht sich die Zeit ein letztes Mal zurück drehen zu können. Doch das Spiel rügt den Spieler mit den Credits und heizt unmittelbar danach unbarmherzig mit einem Teaser zu Episode 4 an. Sieht man sich danach an, welche Entscheidungen wir hätten treffen können und was wir verpasst haben, steigert das nur noch mehr das Verlangen, das Spiel noch einmal zu spielen, anders zu entscheiden und gründlicher zu suchen.
So sehr mich auch das Ende fasziniert und ich unglaublich gespannt darauf bin, was als nächstes passiert, so weiß ich doch, dass ich in einem Monat nicht mehr daran denke, nur um dann kurz vor Veröffentlichung der vierten Episode (die erfahrungsgemäß im Juli erscheint) wieder in seinen Bann gezogen zu werden. Fluch und Segen eines Episodentitels. Abschließend kann ich nur eines sagen: Chaos Theory ist ein Exempel dessen, was uns in Life is Strange noch erwartet, ein markanter Einschnitt in das bisherige Spiel und trotz spielerischer und grafischer Schwächen eine Meisterleistung in Sachen Storytelling.
Dieses Angeschaut wurde von Christina von keingame.de geschrieben. Dort findet ihr neben vielen tollen Artikeln auch meine Ansicht zur Episode. Vorbeischauen lohnt sich.
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