Angeschaut: Mushroom 11
Puzzle-Plattformer, ein Genre, das mittlerweile mehr als nur ausgereizt wurde und nicht gerade zu meinen Lieblingen zählt. Mushroom 11 jedoch bringt frischen Wind in die festgefahrenen Mechaniken und konnte mich bis ans Ende hin bei der Stange halten. Wie hat es dies angestellt?
Mushroom 11 ist stellvertretend für viele Indie Spiele. Es widmet sich einer Grundmechanik und baut diese nach und nach aus, ohne den Fokus durch weiteren Schnickschnack zu verlieren – selbst auf eine Geschichte wurde hier verzichtet. Der Clou an der Sache: Ihr steuert den Charakter, ein pilzartiges Gewebe, zu keiner Sekunde selber. Stattdessen radiert ihr mit der Maus einzelne Zellen aus, welche an anderer Stelle wieder nachwachsen und schlängelt euch so durch die Level. Dies mag jetzt schwer vorstellbar sein, spricht deshalb auch für die Neuartigkeit dieses Bewegungsmusters, weswegen wir uns am besten zuerst ein Gameplay Video dazu anschauen:
Alles klar? Zu Beginn ist die Steuerung gewöhnungsbedürftig, geht mit der Zeit aber in Fleisch und Blut über. Schier unheimlich ist es, wie flüssig sich der Pilz plötzlich nach eigenem Belieben fortbewegen lässt – gleich dem Bewegen eines Fingers, über dessen Vorgang ihr auch keinen Gedanken verschwenden müsst. Die Entwickler Untame haben für die insgesamt sieben Level jeweils eine Stoppuhr eingebaut, wodurch wir in Zukunft einige Speedruns erwarten dürften.
Sieben Level, klingt zuerst einmal nach wenig, besonders nach dem der erste in nur knapp zehn Minuten absolviert wurde, aber in alter Tradition von Puzzle-Spielen nimmt der Schwierigkeitsgrad stetig zu und in den letzten Leveln dauerte es bis zu zwei Stunden, bis der Bossgegner besiegt war. Jawohl, Bossgegner. Am Ende jedes Level erwartet euch eine abwechslungsreiche Herausforderung, welche dem eher langsamen, methodischen Vorgehen der Hindernisse zuvor durch seine Action an Varietät verleiht.
Der Schwierigkeitsgrad gegen Ende hin ist nicht zu verachten. Bei manchen Rätseln heisst es zuerst mal die grauen Hirnzellen anwerfen und überlegen, wie zur Hölle dies schaffbar sein soll. Andere Hindernisse verlangen zudem einiges an Geschicklichkeit und testen auch eure Fähigkeiten mit dem Pilz umzugehen. Diese kniffligen Passagen verleihen teilweise das Gefühl, die Entwickler ausgetrickst zu haben, wenn eine Lösung gefunden wurde, entweder durch Zufall oder pures Glück, die so sicher nicht vorgesehen war. Ein Gefühl, dass sich selten bei Spielen einstellt und mich an den Klassiker World of Goo erinnerte. Kreative Freiheit des Spielers heisst das Zauberwort.
Teilweise bauen wir mit viel Geschick Brücken und versuchen uns irgendwie zur nächsten Plattform zu hangeln, stets im Kampf mit der Schwerkraft, um nicht herunterzufallen. Physik spielt bei den Hindernissen eine zentrale Rolle, Räder werden bewegt, Türme gebaut, Wippen verlagern sich, alles funktioniert, wie wir es aus der realen Welt gewohnt sind. Nicht zu verachten sind auch die wunderschön animierten Hintergründe der dystopischen Welt, wobei das Augenmerk meist im Vordergrund liegt und diese leicht übersehen werden können.
In unserer Vorabversion gab es ein paar Stellen, die regelrecht frustrierend waren ab der Schwierigkeit. Diese sollten laut Entwickler in der finalen Version jedoch angepasst worden sein. Bei diesen Passagen half es, die Stelle kurz jemand anderem zu überlassen. Trotz Einzelspieler Erfahrung waren am Review Prozess bis zu drei Spieler beteiligt, welche sich gegenseitig anfeuerten oder entnervt aufschrien, wenn jemand eine knifflige Passage knapp geschafft hätte, aber durch einen Aussetzer des Gehirns den falschen Part des Pilzes ausradiert und somit in die Lava fällt. Shit happens. Glücklicherweise sind die Speicherpunkte sehr fair gesetzt und der Tod hat keine schwerwiegenden Konsequenzen.
Zu Beginn war es schwer erkenntlich, wieso Mushroom 11 im Vorfeld so viele Auszeichnungen abgeräumt hatte, aber nach rund sieben Stunden Spielzeit lässt sich dies komplett nachvollziehen. Es ist eine angenehme Überraschung, dass in vermeintlich steckengeblieben Genres noch etwas neues kreiert werden kann. Meine Präferenz sind vorwiegend Story basierte Spiele, Gameplay steht bei mir meist eher im Hintergrund und trotzdem schafft es ein Mushroom 11, alleinig aus Gameplay bestehend, mich vollkommen zu überzeugen. Es würde mich nicht verwundern, träfen wir Mushroom 11 ende Jahres in diversen Best-Of 2015 Listen an.
Mushroom 11 ist seit dem 15. Oktober 2015, dem National Mushroom Day, via Steam, GOG und Humble erhältlich.
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