Telltales Batman Episode 1: Realm of Shadows – Stumm in der Matrix
Wohl kein anderer Superheld war in den vergangenen Jahren so prominent in der Unterhaltungssparte vertreten wie Batman. Mittlerweile gibt es unzählige Batman-Universen mit gänzlich unterschiedlichen Interpretationen des Waisenkindes Bruche Wayne, der als Rächer der Nacht Kriminelle hinter Gittern bringt. Davon abgesehen, ob nicht langsam eine Übersättigung statt findet, war es interessant zu sehen, welchen Ansatz Telltale mit ihrer Batman-Serie wählen würde. Einmal mehr begeben wir uns also in das düstere Gotham, gespannt welch fiese Schergen und das Leben schwer machen werden.
Evolution im Kampfsystem
Telltale typisch beginnt die Serie mit einer Action-Sequenz, wobei sogleich eine Neuerung im Kampfsystem eingeführt wird. Neben dem bekannten Ausweichen, durch Lenken des Analogsticks in die entsprechende Richtung oder dem Ausführen von Schlägen und Tritten, anhand dem Drücken der Buttons, gibt es neuerdings eine Kombination dessen. Anstatt stumpf X zu drücken lenken wir bei manchen Schlägen zusätzlich in eine Richtung, was den Bewegungen eine realistischere Note verleiht. Durch erfolgreiches Ausführen der Quicktime-Events lädt sich am linken unteren Bildschirmrand ein kleines Batsymbol auf, welches bei kompletter Aufladung einen Superpunch freisetzt. Diese finden meist am Ende einer Szene statt, sind also mehr Schein als Sein.
Batman im Matrix-Universum?
Die augenscheinliche Entscheidungsfreiheit – oder eher deren Illusion – zieht sich seit Anbeginn durch die Telltale-Spiele. Erstmalig lüftete sich bei mir dieser Vorhang und ich sah hinter die Kulissen der verzweigten Geschichtsstränge; aufgrund technischer Probleme. Telltale hat ihre hauseigene Engine komplett überarbeitet und Batman war das erste Spiel, welches diese neue Version benutzte.
Während alle vorherigen Spiele von Telltale problemlos auf meinem Laptop liefen, bewegte sich Batman in stockenden zwei bis drei Bildern pro Sekunde über den Bildschirm. Doch selbst leistungsstarke Computer hatten teilweise Probleme und der Aufschrei der Community kurz nach der Veröffentlichung war gross. Mittlerweile gab es einige Patches, die auch die Grafikeigenschaften einstellen lassen und Telltale ergänzte ihre Beschreibung der Minimalanforderungen mit der zusätzlichen Info, dass Intel integrierte Grafikkarten für das Spiel nicht empfohlen sind. Zu den erhöhten Anforderungen gesellen sich unzählige Bugs, Glitches und Framerate-Drops. Wer das Spiel flüssig zum Laufen bekommt, kann sich also glücklich schätzen.
Der geheimnisvolle Stumme
Die technischen Probleme führten dazu, dass ich mir zuerst ein Let’s Play der Episode auf Youtube anschaute und später die Episode nochmals selber spielte, indem ich sie auf einem virtuellen Computer mit genügend Rechenleistung per Remotedesktopverbindung laufen liess. Hürden sind schliesslich da, um überwunden zu werden. Da ich die Auswirkungen gewisser Entscheidungen bereits kannte, beschloss ich Batman in meinem Durchgang schweigen zu lassen. Bei sämtlichen Telltale-Spielen ist es möglich, die Zeit bei den Dialog-Optionen verstreichen zu lassen ohne eine Antwort auszuwählen. Dies nimmt zwar die Immersion des Spielers, aber gerade beim Charakter des zurückgezogenen Millionärs Bruce Wayne passte dies irgendwie.
Im Spielverlauf zählte ich insgesamt sieben Momente, bei denen mein Schweigen angeblich Auswirkungen auf die Geschichte und Beziehungen zu Charakteren hatte. Zudem gab es sechs Momente, bei denen ich zu einer Aktion oder Entscheidung zwischen A oder B gezwungen wurde, ansonsten wäre das Spiel nicht weitergegangen oder Batman kurzerhand gestorben. Konkrete Auswirkungen meiner Taten waren nicht ersichtlich. Zum Beispiel gibt es zu Beginn eine Szene, bei der ihr auf einer Party mit dem Bösewicht der Episode konfrontiert werdet und er eure Hand schütteln will. Ob ihr dies tut oder nicht, spielt keine Rolle. Am Ende der Episode wird diese Szene so oder so als negativ dargestellt.
Sherlock kombiniert
Eine weitere Neuerung neben dem ausgebauten Kampfsystem ist das Verlinken von Gegenständen und Menschen welches in zwei Szenen zum Zuge kommt. An einer Stelle leistet Batman Detektivarbeit zur Aufklärung der Geschehnisse und muss dabei einzelne Objekte sinnvoll miteinander Kombinieren, um die Vergangenheit zu rekonstruieren. Zwar findet dies in einem sehr limitierten Rahmen statt, war aber dennoch eine willkommene Abwechslung.
Am Ende der Episode kommt dieses System nochmals zum Zuge und wir können die Herangehensweise eines Hinterhaltes planen. Dabei können wir entscheiden, wie Batman einzelne Gegner erledigen soll, indem wir sie mit Gegenständen verbinden. Es stellt sich zum Beispiel die Option, ob wir einen Halunken durch eine herunterfallende Lampe oder mittels einer Statue ausser Gefecht setzen. Wir führen quasi Regie für die bevorstehende Action-Sequenz.
Fazit
Bei all den technischen Problemen ist die Geschichte noch gar nicht zum Zuge gekommen. Das Batman-Universum von Telltale ist äusserst geerdet und gewohnt düster. In der zwei Stunden dauernden Episode werden alle Charakter erstmals etabliert, was zu keiner grossartigen Entwicklung der Geschichte führt. Diese wird hoffentlich in der zweiten Episode an Fahrt aufnehmen, denn zu diesem Zeitpunkt kann die Serie nur Hardcore Batman-Fans empfohlen werden und selbst diese sind es wahrscheinlich müde zum wiederholten Male über den Tod von Bruces Eltern zu hören.
Der einzige hoffnungsvolle Lichtblick ist die interne Zwiegespaltenheit von Bruce Wayne zu seiner Vergangenheit, welche eine neue Seite des Charakters zeigt und die Darstellung von Alfred, der einmal nicht ausschliesslich der gehorsame Buttler ist, sondern auch als sich sorgender Freund auftritt.
Das neuste Werk von Telltale gleicht bisher einer Holzachterbahn: Der Start war äusserst holprig und die zweite Episode wird darüber entscheiden, ob unsere Fahrt nach oben geht oder wir zuerst auf gleicher Ebene ein paar Runden drehen.
No Comment