Die Zukunft von Indie Entwicklern
Vor wenigen Tagen fing ich an nach den besten Indie Games aus dem Jahre 2016 zu recherchieren. Dabei wurde mir schnell die schiere Anzahl an hochqualitativen Spielen bewusst. The Witness, Firewatch, Hyper Light Drifter, Oxenfree, The Banner Saga 2, Stardew Valley, Owlboy…die Liste geht noch endlos so weiter und dies sind nur ein paar der Top Hits, welche es schafften die Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit zu erregen. Daneben gab es auch tonnenweise mittelmässig-erfolgreiche Spiele und solche, die komplett untergegangen sind. Beim Ansehen all dieser Spiele wurde mir bewusst, was sich schon länger angebahnt hatte: Die Indie Blase ist geplatzt, die sogenannte Indie Apokalypse hat statt gefunden und die Mehrheit fängt langsam an dies zu realisieren.
Kurz darauf erschien der Artikel von Daniel Cook zum Herbst des Indie Game Markts, welcher mittlerweile viral gegangen ist und meine geformten Gedanken bestätigte. Ein schönes Beispiel zur Veranschaulichung von Cooks Theorie der eskalierenden Kosten, ist Frictional Games. 2007 starteten sie mit der dreiteiligen Penumbra Serie und konnten damit bereits gutes Geld verdienen, welches in die Entwicklung von Amnesia gesteckt wurde. Dieses verschlang in der dreijährigen Zeit der Entwicklung bereits 360’000 USDollar. 2012, Zwei Jahre nach Release, hatte das Spiel bereits über eine Million Einheiten verkauft und liegt heutzutage in der virtuellen Bibliothek von über drei Millionen Spielern. Das nächste von Frictional Games entwickelte Spiel, SOMA, hatte bis im März 2016 nach sechs Monaten 250’000 Exemplare verkauft, aber damit die Entwicklungskosten noch nicht eingeholt.
Herzlichen Glückwunsch, Videospielindustrie
Als frisches Indie Studio hat man nicht die Geldsummen eines mittlerweile grossen Studios wie Frictional Games zur Verfügung und es bleiben nur zwei Optionen übrig: Selber veröffentlichen oder sich einen Publisher suchen. Doch auch Publisher können keinen Erfolg gewähren und mit Erfolg ist hier gemeint, genug Einheiten zu verkaufen, um die Zukunft des Studios, bis zum Erscheinen des nächsten Spieles, zu sichern. Small Radios Big Televisions, welches Anfangs November erschien und von Adult Swim Games veröffentlicht wurde, verkaufte bis anhin rund 1000 Exemplare auf Steam und dies trotz ausreichender Werbung aufgrund des gleichzeitigen PS4 Releases, positiven Reviews und sogar einer Wertung von 8.5 auf Destructoid.
Selbst die AAA-Industrie hat momentan zu kämpfen. Titanfall 2, welches auf sämtlichen Plattformen eine Metacritik von über 85 hat, ist bisher erbärmlich gefloppt anhand der Verkaufszahlen. Fragwürdige Entscheidungen im Marketing spielten dabei eine Rolle, aber es zeigt auch, dass grosse Spielehersteller nicht vor dem Misserfolg gefeilt sind, obwohl dahinter eine riesige Marketingmaschinerie steht und die Spiele mit so wenig Risiko wie möglich entwickelt werden. Der Markt ist schlicht weg überflutet. Die Langlebigkeit von Spielen ist auf wenige Monate geschrumpft, dann kommt schon der nächste grosse Kracher. Schlicht und einfach: Die Videospielindustrie ist erwachsen geworden. Gratulation, du hast nun mit dem selben Problemen wie die Musik-, Film- und Buchindustrie zu kämpfen.
Was nun?
Gerade zu diesem Zeitpunkt können wir stark davon profitieren, den Blick über den Tellerrand zu wagen. Die Aussichten sind jedoch düster. Du willst von deiner Musik leben können? Erzähle das einem Industrieveteran und du wirst zuerst einmal müde angelächelt. Auch die Youtube-Blase, welche hier grosszügig zur Filmindustrie gezählt wird, ist in Deutschland gerade am platzen. Investoren fangen an ihr Geld zurück zu ziehen und selbst ein David Hain, welcher über 360’000 Abonnenten auf Youtube hat, musste eingestehen, dass er von den Einnahmen nicht leben kann, ohne seine eigenen Prinzipien zu verleugnen und sich dem Youtube-Algorithmus zu beugen.
Alle Bereiche haben etwas gemein: Willst du dein eigenes Ding machen und dich nicht verbiegen, was meiner Meinung die kreative Freiheit von Indies ausmacht, wirst du nicht oder nur sehr selten von deinem Schaffen überleben können und es als Hobby betreiben müssen. Zur Veranschaulichung dessen: Ein befreundeter Entwickler sagte mir kürzlich, dass sie sich die letzten zwei Jahre mittels Auftragsarbeit, Kickstarter und Steam Early Access zwar über Wasser halten konnten, aber nun den Schritt zu Investoren wagen müssen, um weiterhin bestehen zu können.
Ein Blick zu den Büchern
Am vergleichbarsten zur Spielindustrie ist die Buchindustrie. Jeder mit einem Internetzugang kann heutzutage ein Buch schreiben und veröffentlichen. Dank Spracherkennung ist dazu sogar nicht einmal das eigentliche Tippen der Wörter notwendig. Dieser Markt unterteilt sich in drei Kategorien: Den grossen Publishern, Indie Publisher und Self-Publisher. Der Markt ist hoffnungslos überflutet und traditionelle Publisher verkaufen im Durchschnitt 200 Einheiten eines Buches pro Jahr, wobei 90% des Umsatzes aus 10% der veröffentlichten Bücher erzielt wird und diese Statistik dadurch stark verfälscht. 90% der von Publishern veröffentlichten Büchern verkaufen sich praktisch gar nicht.
Interessanterweise liegt die Zahl an verkauften Einheiten pro Jahr bei selbst veröffentlichten Büchern auch bei 200 Einheiten pro Jahr. Dank print-on-demand Angeboten wie Lulu oder CreateSpace und der steigenden Popularität von E-Books, hatte sich der Weg ohne Publisher erschwinglich für Privatpersonen gemacht. Einzig um das Marketing musste sich noch gekümmert werden, was die Pforten für Indie Publisher öffnete. Diese machen 50% des Marktes aus und bedienen jeweils gezielt Nischen. Diese Indie Publisher bestehen oftmals aus Enthusiasten, mit variierender Professionalität und Erfahrung.
Auch in der Spielindustrie sehen wir momentan gefühlt jede Woche einen neuen Indie Publisher aufploppen, noch vermehrter sogenannte PR-Agenturen, welche sich auf die Vermarktung von Spielen spezialisiert haben. Wer sein Spiel selber veröffentlichen will und dabei auch noch ein kleines bisschen was verdienen, für den ist ein gutes Marketing heutzutage unumgänglich, um überhaupt die Aufmerksamkeit eines kleinen Teiles der grossen Masse zu erhalten. Um mehr als nur zusätzliches Sackgeld zu verdienen, muss das Spiel viral gehen.
Durch die wachsende Anzahl an mittelgrossen Publishern könnte sich im Spielesektor auch ein weiterer Berufszweig auftun, welcher in anderen Branchen bereits gang und gäbe ist: Den Agenten. Damit ist nicht der Geheimagent gemeint, sondern der gemeine Agent, welcher sich bei Büchern darum kümmert, einen vorteilhaften Publishing-Vertrag mit einer passenden Firma auszuhandeln oder in der Musikindustrie Auftritte für die Bands bucht.
Der geschlossene Markt
Der grösste Unterschied zwischen der Musik-, Film- und Buchindustrie, im Vergleich zur Spielindustrie, liegt im Vertrieb. Dank Angeboten wie Ingram kann mittels wenigen Klick das eigene Produkt auf Tausenden von Websites zum Verkauf gelistet werden, wohingegen der digitale Spielemarkt, wir beziehen uns nachfolgend ausschliesslich auf den PC-Markt, von einer Verkaufsplattform beherrscht wird und es keine vergleichbare Alternative gibt. Neben Steam haben wir zwar auch GOG, Humble und itch.io, welche einigermassen bei der breiten Masse bekannt sind, aber kleinere Plattformen wie zum Beispiel Playfield kennt kaum jemand. Jede dieser Plattformen weist zusätzlich eine Hürde auf.
Ein Buch könnte theoretisch zwei Stunden nach Fertigstellung, dank den verfügbaren Mitteln, für jedermann überall zugänglich gemacht werden. Der Spielemarkt funktioniert da noch immer nach seinen eigenen Regeln und schottet sich ab von der restlichen Welt. Selbst für CDs und BluRays gibt es „print“-on-demand Angebote, was aufgrund der Digitalisierung der Spielindustrie zunächst zwar wenig Sinn macht, aber das eigene Spiel zumindest einer breiteren Masse zugänglich machen könnte, solange wir für die digitale Distribution keine Lösung gefunden haben. Itch.io ging hier mit positivem Beispiel voran. Jeder kann sein Spiel unumgänglich dort veröffentlichen ohne irgendwelche Hürden. Es befindet sich auf der Plattform zwar ein riesiger Haufen Müll, aber qualitativ gute Spiele können sich noch immer davon absetzen und an die Oberfläche schwimmen.
Ein paar aufmunternde Worte
Man hört es ja immer wieder, dass man als Künstler nichts verdient und mir war auch klar, dass als Kreativer es nur sehr schwer ist, davon leben zu können, aber dass die Meisten wirklich gar nichts verdienen, hat mein eigenes Weltbild schon ein wenig erschüttert. Ich bin bei meiner Recherche noch sehr viel tiefer gegangen, als hier aufgeführt, aber das hätte sämtlichen Rahmen gesprengt.
Alle Hoffnung ist aber noch nicht verloren. Gerade Crowdfunding, sei es durch Plattformen wie Kickstarter oder Patreon, ermöglicht vielen Künstlern weiter zu bestehen. Im Vergleich zu Amerika ist die Spendebereitschaft in deutschsprachigen Ländern jedoch noch immer erschreckend gering, aber dieses Fass wollen wir aber an anderer Stelle aufmachen. Immerhin steigen die Förderungen von staatlicher Seite nach und nach und gerade Deutschland hat mit FUNK, einem Programm der öffentlich rechtlichen zur Unterstützung kreativer junger Menschen im Videobereich, vorbildlich gezeigt, wie die Zukunft für Indie Entwickler aussehen könnte.
Gebt nicht auf, bleibt dran! Erwartet nichts, aber hofft das beste! Ja, ich musste mir nach dem Erstellen dieses Artikels ein paar Videos zur Selbstmotivation anschauen. Ashton Kutcher kann dies einiges besser als ich und möchte euch zum Abschluss noch eine fantastische Geschichte erzählen, welche euch hoffentlich genau so erleuchten mag, wie mich.
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