Firewatch im Angeschaut – Die zweisame Einsamkeit
Firewatch handelt von Henry, welcher in Wyoming dafür zuständig ist nach Waldbränden Ausschau zu halten. Seine einzige Verbindung zur Aussenwelt liefert ein kleines Funkgerät. In einem besonders heissen Sommer überschlagen sich die Ereignisse und Henry beginnt die Welt ausserhalb des Turmes zu erkunden, was zur Hinterfragung seines bisherigen Lebens führt. Dies die Prämisse zu Firewatch, welches vor seiner Veröffentlichung unglaublich gehypt wurde. Konnte es den hohen Erwartungen stand halten?
Firewatch beginnt zugleich mit einem emotionalen Hammer. Wie bei einem Film wird zuerst der Titel des Spieles eingeblendet und danach geht es in den Prolog über. In diesem wird die Vergangenheit unseres Protagonisten Henry anhand Texten beschrieben und mittels Auswahloption können wir die getroffenen Entscheidungen sowie Antworten beeinflussen und damit aktiv in das bisherige Leben von Henry eingreifen. Die Textpassagen umfassen mehrere Jahre und werden jeweils durch eine kurze Gameplay Passage unterbrochen, bei der wir Henry auf dem Weg zu seinem Aussichtsturm im Walde Wyomings begleiten. Diese ersten Minuten weisen bereits eine sehr hohe Intensität auf, wodurch sie den Spieler vollkommen in seinen Bann zu ziehen und eine Empathie zum Charakter aufzubauen.
In unserem Wachturm angekommen, werden wir sogleich von unserer Chefin Delilah per Funkgerät begrüsst. Nach der anstrengenden Wanderung lässt diese uns zum Glück erst einmal ausruhen und wir schlafen bis zum nächsten Tag durch. Unsere Arbeit besteht darin nach Waldbränden Ausschau zu halten, aber auch für Recht und Ordnung in unserem Einzugsgebiet zu sorgen. Am ersten offiziellen Arbeitstag erspähen wir auch sogleich ein Feuerwerk in der Ferne. Delilah weist uns an, die geistesabwesenden Übeltäter zu finden und in ihre Schranken zu weisen. Brütende Hitze, ein ausgetrockneter Wald, wahrlich nicht die beste Idee unter diesen Umständen ein Feuerwerk zu veranstalten. Wir begeben uns zum Ort des Geschehens und von da an nimmt die Geschichte ihren Lauf…
Mehr wollen wir euch nicht zur Geschichte verraten, denn Firewatch lebt einzig und allein durch diese. In den rund fünf Stunden Spielzeit verbringen wir die meiste Zeit damit, durch die Wälder zu streifen. Dabei interagieren wir ab und zu mit Gegenständen und berichten Delilah über das Funkgerät von unseren Funden. Die zwischenmenschliche Beziehung zwischen Henry und Delilah stellt dabei den absoluten Höhepunkt des Spieles dar. Die Kommunikation ist glaubhaft, geerdet und als Spieler bauen wir selber innert kürzester Zeit eine Beziehung zu Delilah auf. Wir sind komplett alleine, begegnen bei unseren Touren keinen anderen Charakteren, unser einziger menschlicher Kontakt besteht aus Delilah. Menschlicher Kontakt…die Dialoge sind so gut geschrieben, dass ich unbewusst in der Retrospektive die Charaktere nicht als blosse Spielfiguren betrachte.
Die dichte Atmosphäre ist zusätzlich für diesen Effekt verantwortlich. Diese wird zunächst durch die gelungene Spielwelt, welche durch ihren Comic Look wahnsinnig schön anzusehen ist, erlangt. Leichter Nebel zieht am Morgen durch die Wälder, Vögel beginnen zu zwitschern und die Sonne erweckt das noch schlafende Tal. Am Abend wird alles in ein tiefes Orange getaucht und in der Nacht verzaubern tausende Sterne den Himmel. Der Wald fühlt sich im Gegensatz zu vielen anderen Spielen lebendig an. Keinen Moment herrscht absolute Ruhe, immer zieht irgendwo ein Wind durch die Büsche, Enten quaken, ein Bach rieselt oder ein Feuer knistert.
Eine Benutzeroberfläche gibt es keine. Einzig eine Karte und einen Kompass können wir hervorholen, um uns in der Welt zu orientieren – oder besagtes Funkgerät. Dies trägt zusätzlich zur Immersion bei und wir fühlen uns wahrhaftig alleine im Wald gelassen. Es ist immer wieder eine Erleichterung, wenn sich in einer angespannten Situation Delilah zu Wort meldet. Es gibt uns das Gefühl von Sicherheit, jemand weiss wo wir sind und kann im Notfall Hilfe holen.
Firewatch verwendet in den ersten drei Tagen in der Spielwelt sehr viel Zeit damit, diese Beziehung aufzubauen, überspringt aber anschliessend einen grösseren Zeitraum und die Ereignisse überschlagen sich. Dieser Sprung brach zunächst die Immersion, denn als Spieler haben wir nicht die selbe Entwicklung wie unser Charakter durchgemacht. Es hätte Firewatch gut getan, uns die Langeweile und immer mehr einsetzende Einsamkeit als Spieler ausgiebiger zu vermitteln, uns die Tage in denen nichts aufregendes geschieht zu zeigen und einfach mal den Sommer in der schönen Natur zu geniessen. Ansatzweise kommt dies in einzelnen Momenten vor, aber Campo Santo traut sich nicht diese voll auszuschöpfen.
Fazit zu Firewatch
Firewatch konnte den hohen Erwartungen mehr als gerecht werden. Es bezaubert durch seine lebendige Welt und den glaubhaften Dialogen. Das Spiel wird mich noch eine Weile begleiten und einer zweiter Durchgang ist bereits geplant. Die Spielzeit von rund fünf Stunden verging im Fluge und die Geschichte ist bis zum Ende hin mitreissend, was dazu führte, dass ich Firewatch in einem Rutsch durchgespielt habe – bis drei Uhr morgens. 2016 ist bisher ein unglaublich starkes Jahr und Firewatch hat sich vorerst einen Platz in meiner persönlichen Bestenliste des Jahres gesichert.
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