Angeschaut: This War Of Mine
Immanuel Kant sagte einmal: „Der Krieg ist darin schlimm, dass er mehr böse Menschen macht, als er deren wegnimmt.“
Wir sind es in der Videospielwelt immer gewohnt, selber im Krieg zu kämpfen. Nie zittern wir am falschen Ende einer Kalaschnikow. Nie sind wir passive Opfer, deren Hoffnungen und Habseligkeiten in den Trümmern ihres Hauses begraben wurden.
Der polnische Entwickler 11 bit studios hat sich nun dieser Gegenseite angenommen. In This War of Mine spielen wir eine Gruppe von Kriegsopfern, in einer nicht näher definierten Konfliktzone. Wir verwalten dabei in der 2D-Seitenansicht den Zustand der einzelnen Charaktere über Hunger, psychischer Belastung oder Gesundheit. Ähnlich den Sims Spielen, wobei der Vergleich grotesk ist.
So finster die Nacht
Die düstere Farbpalette, zusammen mit der atmosphärischen Musik, unterstreicht die beklemmende Stimmung. Wir fühlen uns ohnmächtig und bedrückt, ja geradezu ausgeliefert. Am Tage versuchen wir, so gut es dann auch geht, die Bedürfnisse der Charaktere zu befriedigen. Sei es auf dem improvisierten Kochherd was Essbares zuzubereiten oder ein Bett zu zimmern, um zur Schlafenszeit wenigstens keine Rückenschmerzen zu bekommen.
In der Nacht hingegen, wählen wir einen glücklosen Charakter aus, der Material beschaffen soll. Nach und nach erschliessen wir uns neue Orte. Sei es ein Krankenhaus, wo wir den Notleidenden Vorräte stehlen können oder ein Supermarkt, bei dem wir anderen, manchmal hochgefährlichen, Verzweifelten begegnen. Nie wissen wir, ob wir es ins Lager zurückschaffen. Auch dort ist kein sicherer Hafen, denn nur allzu oft werden wir überfallen oder betrauern einen Freund, der mit dem Strick seiner Misere ein Ende gesetzt hat.
Sein oder nicht sein?
In diesen Extremsituationen erscheint uns plötzlich der einfachere, unmoralische Weg, ein betagtes Ehepaar zu bestehlen, als eine Option. Es gibt in dieser Welt kein richtig oder falsch, nur fressen oder gefressen werden. Der Unterschied zwischen diesen Zuständen ist einzig und allein das Management der Ressourcen.
Hiermit sind wir beim zentralen Spielelement angelangt. Ohne den Überblick über was wir benötigen, ist das Spiel schnell vorbei. Man müsste sich fast Notizen machen. Braucht unsere Gruppe Essen? Oder sollen wir lieber Holz besorgen, um uns vor Banditen zu verbarrikadieren?
Fazit
Dieses herausfordernde Gameplay bringt uns in einen Zustand der steten Spannung und zugleich der unglaublichen Hoffnungslosigkeit. Selten war ich von einem Gesamtkunstwerk so beeindruckt, wie bei diesem Antikriegsspiel. Indie Games haben das Privileg, oftmals Wegbereiter einer neuen Erfahrung zu sein, statt der einfachen Unterhaltung zu dienen. Was dies betrifft, ist This War Of Mine ein voller Erfolg und bietet uns einen winzigen Einblick in die Gefühlswelt der Menschen, die mitten in ein abscheuliches Kriegsgeschehen geraten.
Als ich vor Jahren bei einem Vortrag des grossartigen Kriegsfotografen James Nachtwey war, hat ein Besucher ihn gefragt, was man tun könne angesichts dieses ganzen Elends. Er meinte, man solle nicht wegschauen, sondern darüber reden. Dieses Spiel verleiht den Betroffenen eine Stimme.
Ach ja, noch etwas: Fuck the war!
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