Bound – Schreckliche Erinnerungen
„Sometimes, in order to move forward, you have to take a step back.“
Der jüngst für die PlayStation 4 erschienenen Indie-Platformer Bound beginnt mit einer schönen Szenerie an einem englisch anmutenden Strand vor einem alten Cottage.
Eine junge, hochschwangere Frau steigt aus einem Auto, ein altes Notizbuch fest umklammert. Das Auto fährt davon, die Frau läuft langsam dem Strand entlang. Nach wenigen Schritten setzt sie sich und blättert durch ihr Notizbuch. Es enthält wilde Zeichnungen, ich kann mich wahlweise auf eine davon konzentrieren und abtauchen.
Elegante Steuerung
Hier beginnt das eigentliche Spiel. Als junges, schlankes Wesen mache ich mich im Auftrag meiner Mutter, einer Art Bienenkönigin, auf, um unser Reich von einem bösen Eindringling zu befreien. Eine farbenfrohe, fantastische Schnipselwelt tut sich auf, die sich um mich laufend verändert. Ich selbst schwebe elegant tanzend über zerfallende Treppen, springe auf neu entstehende Plattformen und balanciere flink über dünnste Balken. Schnell erkenne ich beim Umschauen auch den Eindringling, ein Ungetüm, welches mir vom Aussehen her gar nicht so unähnlich ist. Immer weiter dringe ich vor und bemerke, dass sich hinter der wunderschönen Kulisse dunkles verbirgt.
Erinnerungsfetzen
Am Ende jedes Levels wartet eine Erinnerung auf mich. Die Eltern, die sich streiten. Der Vater zerreisst die Halskette der Mutter, die Perlen fliegen durch den Raum. Ein kleines Mädchen steht neben dem Bruder in der Ecke und schaut zu. Ein anderer Ausschnitt. Der Vater schläft auf dem Sofa, die Mutter schaut fern. Nur das Mädchen, den Teddy eng umklammert, sieht, wie der Bruder sich die Pfanne mit heissem Wasser ankippt, als er sie vom Herd ziehen will. So geht es weiter, die Eltern streiten miteinander oder schimpfen die Kinder. Ich laufe als Zuschauer durch die sich Schnipsel für Schnipsel zusammenfügenden Erinnerungen.
Versöhnung mit der Vergangenheit?
Die anfangs idyllische Stimmung wandelt sich und drückt bald aufs Gemüt. Je besser ich die junge Frau kennenlerne, deren Erinnerung ich durchtanze, umso näher geht mir das Spiel. Ich will herausfinden, was passiert ist, durchforste den letzten Winkel ihres Kopfes. Nach jeder Erinnerung schlägt sie das Notizbuch zu und bewegt sich näher zum Cottage hin. Im Laufe des Spiels wird klar, wen sie darin finden wird – oder auch nicht. Vor der Tür hält sie inne. Das Auto fährt wieder vor. Ob sie klingelt oder wegläuft, ist mir überlassen. Ob sie sich mit ihrer Vergangenheit versöhnt – oder auch nicht.
Fazit
Bound ist ein wunderschönes Spiel, das fast ohne Dialoge auskommt. Die atemberaubende Grafik der Gedankenwelt weckt den Entdeckergeist, die intuitive Steuerung erledigt den Rest. Ich blieb kaum hängen, langweilte mich nie und ging auch nicht in der weitläufig wirkenden Spielwelt verloren. Die Elemente der Erinnerungen sind sehr subtil in den Levels verbaut, so balancierte ich über gigantische Kugeln in der Luft, als der Mutter die Halskette reisst oder mussste mich vor Flammen in Acht nehmen, als sich der Bruder verbrüht. Die Steuerung harmoniert mit der Grafik genauso wie mit der Hintergrundmusik, was ein sehr schönes Spielerlebnis beschert. Ich möchte das Spiel jedem ans Herz legen, der sich in Journey oder Abzû verlieren konnte.
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