Kentucky Route Zero Act IV – Dem Echo folgend
Zwei Jahre waren bereits vergangen seit dem Erscheinen des dritten Aktes von Kentucky Route Zero. Ein Spiel, dass sich mit seinen bezaubernden und mystischen Momenten mit jeder Episode steigern konnte. Die Hoffnung schon fast aufgegeben, war er plötzlich da: Der vierte Akt. Aus dem Nichts, ohne grosse Ankündigung; den eigenen Augen konnte kaum geglaubt werden. Waren die zwei Jahre Produktionszeit gerechtfertigt oder überstiegen am Schluss die hohen Erwartungen der Realität?
Der Zahn der Zeit
Abseits der offiziellen Episoden veröffentlichen die Entwickler jeweils ein komplementäres Spiel, welches ein wenig Einsicht in die kommende Episode geben soll. Diese sind kryptisch gehalten und der Zusammenhang wird meist erst nach dem Spielen des aktuellen Aktes verstanden. Here And There Along The Echo hiess der letzte dieser Zwischenakte und für einmal war dieser wortwörtlich zu verstehen.
Zwei Jahre sind eine lange Zeit und nicht jedes Detail ist in Erinnerung geblieben. Ob dies die Entwickler bewusst in die Geschichte eingearbeitet haben oder nicht sei mal dahingestellt, aber unser Hauptprotagonist Conway steht in dieser Episode überraschend im Hintergrund. Sein Schicksal hatte sich wohl im vorherigen Akt besiegelt. Stattdessen liegt der Fokus vermehrt auf den neuen Charakteren, welche wir in der dritten Episode kennen gelernt hatten und gemeinsam ergründen wir deren Hintergrundgeschichte und Motivationen tiefer.
Ahoy!
In Akt 4 verlassen wir die mysteriöse Kentucky Route Zero und befinden uns mit einem Schiff auf dem Fluss Echo. Das Schiff folgt dem Verlauf des Flusses und anders als bisher können wir uns nicht mehr frei in der Welt bewegen. Neuerdings haben unsere Entscheidungen aber grösseren Einfluss auf die Geschichte. Diese haben keine weitreichenden Konsequenzen wie zum Beispiel in den Spielen von Telltale. Sie beschränken sich auf Erlebnisse, Erfahrungen und sind mehr im Sinne von „Nehme ich den Zug oder den Bus?“ zu verstehen. Ein Durchgang reicht nicht aus, um alles zu sehen und nach den zwei bis drei Stunden Spielzeit ist effektiv nur die Hälfte des Aktes erlebt worden.
Kentucky Route Zero besticht weiterhin durch seine wunderschönen Schauplätze und den speziellen Geschichten. Der David Lynch Anteil ist mittlerweile omnipräsent, aber trotzdem sind die Dialoge geerdet. Das Thema Einsamkeit scheint eine zentrale Rolle zu spielen, doch wird die Bedeutung der Gespräche nicht immer auf einem Silbertablett serviert. Reflektierende Monologe, poetische Ausflüge und Fragmente philosophischer Sinnfragen wabern im mysteriösen Nebel des Echo umher. Nicht die Aussage, sondern die eigene Auffassung sorgt dafür, dass der Akt mental einen noch stundenlang danach zu beschäftigen weiss.
Antiklimaktisch
Während wir im Verlaufe der Nacht, der Dämmerung entgegen sehnend, von Stätte zu Stätte pilgern, gleich einem rastlosen Reisenden und dabei die unterschiedlichsten Orte und Menschen mit ihren einzigartigen Lebensgeschichten erfahren, fehlt der grosse Knall zum Ende der Episode und sie endet, wenn auch logisch aufgebaut und nachvollziehbar, ziemlich abrupt. Mittig gab es einen kleinen WTF-Moment, aber der Einschlag dessen war verschwindend gering im Vergleich zu den Höhepunkten der vorherigen Episoden.
Vielleicht liegt dies daran, dass wir dieses Mal konstant mit der Andersartigkeit der Welt konfrontiert werden. Von Episode zu Episode hatte sich dieser Anteil konsequent gesteigert, am Maximum à la Boardwalk Empire ist die Serie aber noch nicht angekommen und trotz der absurden Geschehnisse vermag es die Episode mehr denn je einen reflektierenden Spiegel vorzuhalten, welcher den Bezug zur eigenen Realität herstellt und damit ausserordentlich vertraut wirkt.
Fazit
Kentucky Route Zero Akt 4 fühlt sich an wie das Erwachen aus einem fiebrigen Traum. Auf den ersten Blick macht nicht alles Sinn, aber mit der Zeit offenbaren sich die Bedeutungen hinter den einzelnen Szenen. Geschichten über das Leben begleiten uns durch die Episode und bereiten den Weg für das grosse Finale vor ohne dabei in der Belanglosigkeit zu versinken. Wann die fünfte und damit letzte Episode erscheint wissen nur die Sterne. Nächstes Jahr oder so, lautet die Aussage der Entwickler. Wir warten und sehen.
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