Angeschaut: Grim Fandango
Fast zwanzig Jahre hat es gedauert – nun komme ich endlich dazu, es zu spielen: Grim Fandango. Der Adventure-Klassiker hat die Jahrzehnte überwunden und wurde nun wiederveröffentlicht. Waren die Jahre gut zu ihm? Oder hätten wir ihn lieber im Reich der Toten gelassen?
Tod eines Genres
Ende der Achtziger Jahre herrschte Goldgräberstimmung. Lucasarts hat Meisterwerk um Meisterwerk abgeliefert; ob verloren in einem verrückten Haus (Maniac Mansion), mit Indiana Jones unterwegs oder als Möchtegern-Pirat in der Karibik (Monkey Island); für jeden Geschmack war etwas dabei. Klickend ging es durch kreative 2D-Welten. Nur mit der richtigen Kombination der Gegenstände kamen wir in den tollen Geschichten weiter. Es schien, als würden diese kreativen Höhenflüge nie enden. Aber es kam, wie es kommen musste; die aufkommenden, billigeren 3D-Shooter haben den Markt überflutet und damit das Genre begraben.
Verloren in der Zwischenwelt
Doch der Tod ist nicht das Ende. Jedenfalls nicht bei Grim Fandango, dem letzten grossen Vertreter dieser zeitlosen Adventures. Damit beginnt erst das Abenteuer. Die Toten landen nämlich zuerst in einer Zwischenwelt und müssen eine Reise in das endgültige Vergessen antreten. Und jeder Trip braucht einen Reiseberater.
Ich stelle vor: Manny, das Skelett. Wir steuern den charmanten aber erfolglosen Verkäufer auf der Suche nach einer Kundin, welche ihm einfach nicht aus dem Kopf will. Dabei decken wir eine Verschwörung auf und bereisen eine Welt, welche einzigartigerweise Elemente des Art Déco, mit dem farbigen mexikanischen Totenfest vermischt.
Die humorvollen Dialoge sind exzellent geschrieben und man kann die Liebe zum Detail in jeder Szene fühlen. Diese werden wir auch ausgiebig erkunden, denn die Rätsel haben es in sich. Zwar sind sie nicht dermassen abstrus, wie bei Monkey Island, wer aber zum Beispiel beim Safe-Rätsel oder der Axt-Verschiebung den Controller nicht nach dem Bildschirm wirft, ist wohl eine Reinkarnation Gandhis.
Wiedergeburt
Die ganzen Jahre haben jedoch ihre Spuren hinterlassen. So müssen wir uns unter anderem mit einem 4:3 Modus begnügen, welcher seitliche Balken hat. Die Grafik wurde nur sehr dezent verbessert. Die Lichteffekte sind etwas realistischer, der Rest der Optik bleibt gleich. Auch die Steuerung offenbart das wahre Alter des Spiels. Umständlich gehen wir von einer fixen Einstellung zur anderen, was öfters verwirrt.
Einzelne Animationen sind sehr holprig und die Lippenbewegungen der Charaktere oft asynchron oder hören nach einem Satz auf. Das Ganze ist trotzdem ein derart mustergültiges Kunstwerk, dass diese Mängel insgesamt nicht weiter stören. Erwähnenswert ist noch die Musik, gehört sie doch mit ihren Jazz/Südamerikanischen-Kompositionen zum Besten überhaupt.
Fazit
Trotz all den kleineren technischen Macken, ist Grim Fandango ein zeitloses Meisterwerk, welches mühelos als eines der kreativen Höhepunkte der Videospielgeschichte zu bezeichnen ist. Nachdem die Telltale-Adventures von heute zwar sehr solide aber etwas leblos sind, lechzen wir nach einer „Seele“, dem gewissen „Je ne sais quoi“. Schon jetzt vermisse ich den kleinen, toten Manny. Er proklamierte oft: “Ich trage die Sense gerne dort, wo einmal mein Herz war”. Dieses Spiel ist bei mir an der selben Stelle.
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