Angeschaut: Westerado: Double Barreled
Einsame Cowboys, plündernde Banditen, belebte Schlägereien in Saloons, gellende Revolverschüsse und jeder hat eine Leiche im Keller. Für meinen Geschmack bedienen sich viel zu wenige Spiele bei dieser romantisierten Wildwest-Ästhetik. Kommt doch mal eines daher, das all diese Klischees erfüllt, bin ich ganz Ohr.
Von Desperados und Vendetta
Um unserem Helden eine Motivation für seinen Rachefeldzug zu bieten, bedient sich Westerado: Double Barreled bei einem klassischen Szenario: Der gutmütige Cowboy hilft auf der Ranch seiner Familie mit, als plötzlich ein Wasserbüffel seinem Gehege entspringt. Unverzüglich setzen wir dem durchgebrannten Tier nach. Nachdem wir es nach einer langen Verfolgungsjagd endlich wieder eingefangen haben, kehren wir zu unserer Ranch zurück.
Bereits von weitem erahnen wir, dass sich etwas Schlimmes zugetragen hat. Lichterloh steht die Ranch in Flammen. Unter den Trümmern der Ruine finden wir die Leiche unserer Mutter und unseren Bruder, der sich an die letzten Minuten seines Lebens klammert. Wir erfahren, dass unbekannte Banditen für das Massaker verantwortlich sind. Als letztes Abschiedsgeschenk erhalten wir von unserem Bruder einen Revolver und den Auftrag, die Familie zu rächen; bevor er uns bittet, ihn von seinem Leid zu erlösen.
Moral optional
Selbstredend gehen wir unserem Auftrag nur zu gerne nach. Wie wir das tun, ist allerdings jedem Spieler selber überlassen. Wir können den Einzelgänger mit dem Herz aus Gold spielen, der jedem Charakter der ihm über den Weg läuft behilflich ist oder wir werden selber zum Outlaw und hinterlassen auf unserem Feldzug eine blutgetränkte Spur der Zerstörung.
Wie es typischen Western anheim ist, befinden sich viele Charaktere in einer moralischen Grauzone. Dies wird besonders während der vielen Dialoge deutlich. Auch wenn das zentrale Gameplay darin besteht, Banditen mithilfe einer Bleivergiftung das Zeitliche segnen zu lassen, vergisst Westerado nicht, dass ein guter Western primär auch eine Detektivgeschichte ist. Dementsprechend lernen wir eine grosse Bandbreite an farbenfrohen Charakteren kennen. Durch unsere Gespräche mit ihnen erhalten wir neue Aufgaben sowie Hinweise über die Identität unseres Antagonisten.
Clint Eastwood trifft auf The Legend of Zelda
Auf unserem Abenteuer bewegen wir uns, nebst ein paar Städten, meist in der Prärie oder in einem Minensystem. Die Art und Weise, wie die Welt aufgebaut ist, erinnert dabei an das erste Legend of Zelda. Die Welt ist aufgeteilt in kleinere, in sich geschlossene Abschnitte. Auch die uns übertragenen Aufgaben ähneln jenen in Links Abenteuer. Nicht selten stehen wir vor einer Aufgabe, die wir ohne zusätzliche Hilfsmittel nicht lösen können und wie es sich gehört, befinden sich ebenjene meist am anderen Ende der Welt. Zum Glück verfügen wir über unser treues Pferd, mit wessen Hilfe wir schnell zwischen den Städten hin- und herreisen können.
Wir sind jedoch nicht nur hier um Gespräche zu führen und in der Prärie herumzurennen. Unser Colt lechzt nach etwas Action. Zum Glück gibt es mehr als genug Banditen die uns als Zielübung dienen. Unsere Treffsicherheit wird allerdings nicht gross auf die Probe gestellt, denn sowohl wir als auch unsere Gegner können nur Horizontal feuern. Einzige Bedingung für einen Treffer ist, dass wir jeweils auf selben Ebene wie die Banditen stehen. Zu einfach macht es einem Westerado allerdings nicht. Zuerst einmal muss unser Revolver aus dem Holster genommen und vor jedem Schuss der Hammer gespannt werden. Patronen werden ebenfalls manuell eine nach der anderen nachgeladen. Dadurch empfiehlt es sich stets jeden Schuss genau zu planen, um nicht in der Hitze des Gefechts ins Kreuzfeuer zu geraten.
Ohne Hut geht nichts
Für besonders geschickte Revolverhelden bietet sich die Gelegenheit, den Banditen in ordentlicher Wildwestmanier den Hut vom Kopf zu schiessen. Was auf den ersten Blick als nette Anlehnung an unzählige Szenen in alten Spaghettiwestern erscheint, offenbart schnell einen viel wichtigeren Grund: Hüte stellen in Westerado unsere Gesundheit sicher. Unser Charakter ist mit drei Hüten ausgestattet; dementsprechend kann er drei Kugeln einstecken, bevor die vierte uns auf den Friedhof befördert. Wir können jedoch die Hüte von Gegnern übernehmen und so unser Überleben sichern.
Unser Abenteuer ist allerdings nach unserer Rache noch nicht vorüber; am Ende unserer Geschichte wird ein neuer Charakter freigeschaltet. Dieses Mal spielen wir als den anderen Bruder, sind aber erneut auf der Suche nach dem Banditen, der unsere Familie zur Strecke brachte. Mit dem Unterschied, dass wir über eine erweitertes Arsenal verfügen, allerdings keinen Hut tragen und mit einem Treffer bereits das Zeitliche segnen. Weitestgehend sind die Szenarien dieselben wie im ersten Durchlauf. Von daher können Spieler, denen das erste Abenteuer zu einfach erschien, hier eine weitere Herausforderung finden.
Spiel mir das Lied vom Tod
Nebst der gekonnt umgesetzten Pixelästhetik im nostalgischen 8-Bit-Gewand ist besonders der Soundtrack positiv hervorzuheben. Stets betont er die Umgebung, wird hektisch und treibend während der vielen Schiessereien oder wehmütig und klagend, wenn wir einsam durch die Prärie ziehen.
Fazit
Westerado: Double Barreled bietet ein Westernfeeling wie wenige andere Titel. Es bedient sich schamlos bei typischen Genreklischees und macht dabei einen sehr guten Eindruck. Mit knapp 3 Stunden pro Charakter erwartet uns zwar kein episches Abenteuer, aber es bezaubert dennoch durch seinen nostalgischen Charme.
Westerado: Double Barreled ist erhältlich auf Steam.
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