The Witness – Eine Insel voller Rätsel
Lange mussten wir uns auf The Witness von Jonathan Blow und seinem Team gedulden, rund acht Jahre um genau zu sein. Blows vorheriges Spiel Braid zählt zu den Klassikern der Indie Games und erneut haben wir es mit einem Rätsel Spiel zu tun. Ob Blow den immensen Erwartungen gerecht werden konnte?
Ohne jegliche Einführung oder Tutorial starten wir als namenloser Charakter auf einer verlassenen Insel. Wir haben kein Inventar, kein HUD und im gesamten Spiel gibt es keinen Text. Sämtliche der insgesamt 700 Rätsel bestehen aus der vermeintlich simplen Aufgabe eine Linie von Punkt A zu Punkt B zu ziehen. Eine Geschichte ist zwar in den Untiefen des Spieles begraben, aber darauf wird nur subtil angespielt und ich wage zu bezweifeln, dass zum jetzigen Zeitpunkt irgendjemand, ausser Blow selbst, sich deren Inhalt bewusst ist. The Witness setzt auf Minimalismus in allen Belangen.
Solche Panels finden wir zu Hunderten auf der Insel verteilt.
Die frei begehbare Insel ist mit ihren thematisch unterschiedlichen Gebieten zwar sehr ansprechend gestaltet, aber die wahre Schönheit des Spieles verbirgt sich im Game Design. Die Rätsel selber erklären die Mechaniken und es liegt am Spieler, diese zu verstehen. Manche Rätsel scheinen zunächst unlösbar, aber sobald die Regeln anhand eines „Tutorial“ Rätsels verstanden wurden, sind sie innert Sekunden lösbar. Das Spiel ist ein steter Lernprozess begleitet von unzähligen Aha-Momenten. Stetig lernen wir dazu und wenden unser erlangtes Wissen an anderen Orten, wo wir zunächst stundenlang überlegt hatten, an Trotz der immer gleichen Panels weisen die Rätsel eine Abwechslung und Raffinesse auf, welche immer wieder überrascht und die grauen Hirnzellen anregt.
Trotz der teilweise enorm schwierigen Rätsel, kommt Frust nie auf. Wir haben stets die Möglichkeit ein Rätsel liegen zu lassen und uns an einen anderen Ort zu begeben. Selbst zum Beenden des Spieles können wir rund die Hälfte aller Rätsel auslassen und nur im finalen Gebiet mit den härtesten regulären Puzzles müssen wir alles lösen, um fortschreiten zu können.
Bei Point’n’Click Adventures schaue ich oftmals im Internet nach, wenn ich zu lange an einer Stelle hange, aber bei diesen Spielen steht für mich die Geschichte im Vordergrund. The Witness besteht nur aus Rätseln und wir beschäftigen uns mit der Frage wie wir diese lösen können, anstatt zu überlegen was zu tun ist. Aufgrund dessen und auch, weil das Gefühl beim Lösen eines besonders schwierigen Rätsel absolut erfüllend ist, steht bei mir ausser Frage jemals im Internet nach einer Lösung zu suchen und ich rate jedem Spieler das Selbe zu tun, um die bestmöglichste Erfahrung aus The Witness zu holen.
Nach vielen vielen Stunden Spielzeit gibt es ein Ereignis, welches die Sicht auf die Insel komplett verändert. Dieses findet jedoch nicht an einem festgelegten Zeitpunkt oder Ort statt und spielt sich vorwiegend im Kopf des Spielers ab. Die Welt verändert sich physisch dadurch nicht, nur die Perspektive des Spielers und führt damit zum grössten WTF-Moment des gesamten Spieles. Die Genialität von The Witness war vorhin schon ersichtlich, aber danach hat sich das Spiel nochmals auf eine komplett andere Ebene begeben. Durch kleine Details hie und da war mir bewusst, dass das Spiel noch mehr zu bieten hat, aber effektiv erlangt habe ich das Wissen erst nachdem ich nach der Endsequenz anfing die restlichen Rätsel zu lösen.
Fazit
The Witness ist ein Meisterwerk, welches wir noch viele Jahre studieren werden. Die Faszination hinter dem Spiel ist nicht unbedingt auf den ersten Blick zu erkennen, da sich nur eine Hälfte davon auf dem Bildschirm abspielt. Die andere Hälfte ist in uns selber, gefüllt mit Momenten der Erhellung und zugleich tiefem Respekt für die Menschen, welche jahrelang an diesem Juwel geschliffen haben. The Witness bringt das Genre der Puzzles auf einen neuen Level und es ist schwer vorstellbar, wie dieses in den kommenden Jahren überboten werden soll.
Die acht Jahre wurden genutzt, um das Spiel zu perfektionieren und es gibt nichts, dass ich bemängeln könnte. Man muss das Spiel selber gespielt haben, um die Genialität dahinter zu verstehen, denn meine Worte reichen hier, ohne konkret auf die Puzzles einzugehen und damit die Herangehensweise zu verraten, nicht aus.
700 Rätsel, zu Beginn ist dies kaum zu erfassen, aber nach und nach fallen die Schuppen von den Augen. In den 30 Stunden Spielzeit bis zur Endsequenz habe ich gerade mal die Hälfte aller Puzzles gelöst, weswegen dieser Text nun zum Ende kommt. Es brennt in mir erneut in die Welt von The Witness abzutauchen und alle seine Geheimnisse zu lüften.
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